So wurde Poldi Halletz zum Halbwaisen!
Hier nun einige Zeilen, aus „Pfarrer Krenns Kriegstagebuch“ – wo über das Leid und Tod der Zivilbevölkerung zu den Osterfeiertagen 1945 berichtet wird.
Karsamstag, 31. März: „Panzersperren werden in Hirtenberg errichtet, der Volkssturm soll die Verteidigung übernehmen. Aufruf – Frauen und Kinder sollen evakuiert werden, Abmarsch um 19 Uhr von der Alten Gasse, wegen Benzinmangel ist das Unterfangen verschoben worden – die lokalen Nazigrößen sind bereits gestern abgerissen“ – vermerkt der Herr Pfarrer noch penibel.
Ostersonntag, 1. April: „Der Strom der Flüchtlinge und Soldaten wird immer gewaltiger, ich (Krenn) will nun ganz nahe bei meinen Seelsorgskindern sein. Die schön geschmückte Kirche hat vielen eintretenden Flüchtlingen etwas Osterfreude beschert. Bei Nacht trifft die Sanität der ,SS' im Kirchengarten ein – Russische Nähmaschine' (Flugzeug) wirft zwei Bomben auf die Gernedlgasse ab, es war der 131. Fliegeralarm, aber niemand kümmerte sich mehr darum.“
Pfarrer Krenn begab sich in den nächsten Nächten mit seinen Habseligkeiten in den Hauskeller der Villa-Mandl, die sich neben der Kirche befindet, so war er seinem Gotteshaus ganz nah. Um 9 Uhr abends übertrug der Seelsorger die „Heilige Kommunion“ in Brotgestalt in die miefenden, dämmrigen Luftschutzstollen, wo die Menschen Schutz suchten und durch die heilige Gabe wieder Hoffnung schöpften. Oben auf der Straße war todbringender Geschützlärm zu hören, lebhaftes Hasten und Fliehen, schemenhaft zu erkennen.
Ostermontag, 2. April: Um 2 Uhr morgens wurde die Turmuhr auf 3 Uhr vorgestellt es begann die Sommerzeit. Zu früher Stunde dürfte das Zwangsarbeiterlager und KZ Mauthausen Frauen-Außenlager am Weinberg geräumt worden sein. Pfarrer Krenn berichtet weiter „in großen Scharen zogen Ukrainer (Zwangsarbeiter?) weg, gefolgt von Frauen des KZs“.
Nachmittags fuhr die „SS“ mit schweren Geschützen auf, die sie am Steinkamperl aufstellten. Ich (Krenn) war zur Dämmerstunde in den Brennerstollen (Lindenberggasse) und in dem Bunkersystem der Gustloff-Werke, es befinden sich 1.050 Personen in der schützenden Unterwelt und in der Nacht kamen noch 500-600 dazu…“
Auch die junge Familie Halletz sitzt angstvoll in dem Gustloff-Stollenlabyrinth, Mutter Maria hält ihren vierjährigen Sohn „Poldi“ sicher in den Armen, man weiß ja nie was passiert?
Vater Leopold schaut beobachtend in das düstere Bunkerloch, viele der Schutzsuchenden kennt er, gehört doch die unterirdische Anlage zu seiner Arbeitsstätte, der Hirtenberger Patronenfabrik, seit dem Nazi-Regime in „Gustloff Werke“ umbenannt.
Vater Leopold war seit den 1930er-Jahren als Chemiker in der Munitionsfabrik tätig. Da saß nun die kleine Familie mit Hunderten, wenn nicht Tausenden anderen in dieser Unterwelt, schwitzend, zitternd, jammernd!
Dienstag: 3. April: Die rote Armee stürmt von allen Seiten, die Hauptwelle der „Russen“ kam dann aus Leobersdorf. Die Hitlerschergen zogen aus Hirtenberg ab, die sogenannten „Befreier“ in der Gestalt der „Roten Arbeiter- und Bauernarmee“ beschlagnahmten nun den Industrieort. Mit der Säuberung ist schleunigst begonnen worden, Haus um Haus durchkämmt, Fabriken besetzt, die Insassen in den Stollen wurden genauestens unter die Lupe genommen, es ist nach Nazigrößen gesucht worden.
Einer der auf der Fahndungsliste stand, war „Johann, Schani R.“, als glühender Nazi hatte er es in der „Patronenbude“ weit gebracht. Bei „Schani“, der so eine Art Werkmeister oder Vorarbeiter war, hatten es die Zwangsarbeiter und Andersdenkende nicht sehr gut! Der ganze Stolz von J. R. war sein „Schladminger Janker“, wie er im „Dritten Reich“ von vielen getragen wurde. Auch der junge Chemiker und Familienvater Leopold Halletz trug so eine Joppe, als er sich im Bunker mit Frau und Kind aufhielt.
Leopold Halletz junior, Jg. 1941, aus seinem Unterbewusstsein erscheinen immer wieder Bilder und Gedanken der Dramen, die sich tief im Berg in der Osterzeit 1945 abspielten und so beginnt Leo zu erzählen: „Immer wieder dieser Geschützlärm, das Murmeln und Flehen, Sirenengeheul, Finsternis, Rauch, Gestank und diese unsagbare Angst, die den ganzen Körper erzittern ließ, sind mir bis heute nicht aus dem Kopf gegangen“.
Mittwoch, 4. April: Es war wieder ein weiterer Tag, eine weitere Nacht, den die kleine Familie Halletz in den „Gustloff Stollen“ verbrachte. „Im Lampenschein sah man Uniformierte einer fremden Armee aufmarschieren, ein Raunen geht durch die Leut – die Russen sind da!“ Nach einigen Seufzers erzählt Leo weiter „die Abordnung kam nun direkt auf uns zu, bei der Patrouille waren auch Personen in Zivil dabei, Vater wurde genauesten perlustriert, er zeigte ihnen seine Papiere, einige der Kommission begutachteten den grauen Trachtenrock, den er am Leibe trug. Leopold Halletz wurde aus dem Stollen geführt“.
Nach einiger Zeit kam Vater aber wieder zurück, die Freude war groß, man glaubte es ist überstanden, dem war aber nicht so, nochmals wurde er abgeholt und er kam nie wieder!“ – Mutter, Pfarrer und Verwandte taten alles, um das Schicksal des jungen Familienvaters zu klären.
Mittwoch, 18. April war es dann Gewissheit, Ing. Leopold Halletz (1909-1945) wurde unter Schrott und Metallplatten im Betriebsareal der Patronenfabrik aufgefunden – gequält, gefoltert, erschlagen – die Täter konnten nie ausfindig gemacht werden!
Wie sich später herausstellte, wurde ihm sein „Schladminger Janker“ zum Verhängnis, Halletz wurde mit dem gesuchten „Lokal-Nazi Schani R.“ verwechselt, der den gleichen Rock trug – ein tödlicher Irrtum und viel Leid für die kleine Familie, Poldi war nun mit seinen vier Jahren schon Halbwaise!
Tattendorfs Pfarrer Alois Kremar von Rotarmisten ermordet
Ostermontag, 2. April 1945: Ein weiterer zermürbender Kriegstag beginnt – die Rote Armee fegt brandschatzend und mordend durch den Wienerwald und durch das Steinfeld - die Wehrmacht verblutet auf den Feldern und Wäldern des „Reichsgau-Niederdonau“ - das Kriegsdrama ging ins Finale – die Schlacht um Wien begann…
Von Dietmar Holzinger
Tattendorf – Dienstag, 3. April 1945: „Es ist so weit, sie sind da“! So beginnen die berührenden Aufzeichnungen des 1945 ca. 18-jährigen Mädchens Maria, sie hatte die Gräueltaten hautnah miterlebt. Nie mehr brachte Maria die schaurigen Bilder aus ihrem Kopf! 1995 schrieb sie die Erlebnisse nieder, niemand könnte den „Schreckenstag 3. April 45“ besser beschreiben, als es Marias Zeilen bekunden.
„...die ersten russischen Panzer rollten durch unsere Gasse, Maschinengewehrsalven wurden abgeschossen und wir beschlossen (Maria mit Eltern) in den Luftschutzkeller des Pfarrhofes hinabzusteigen.
Da saßen wir nun mit Todesängsten in dem düsteren Untergrund, nach ca. einer Stunde wurde es ruhig und Herr Pfarrer Kremar beschloss, gemeinsam mit meinem Vater einmal oben nachzusehen.
Nach einiger Zeit kam Herr Pfarrer dann wieder ins Versteck und berichtete von der misslichen Lage. Ich redete Hochwürden zu, er möge doch seinen Talar anziehen. Wenn die Russen sehen, dass er ein Priester ist, lassen sie ihn vielleicht in Ruhe. Er aber hatte Angst, dass sie gerade einen Priester hassen und blieb lieber in seinen Zivilkleidern - tödlicher Fehler?
Es ging auf Mittag zu, es kamen immer mehr Leute in den Keller, es wurde von Misshandlungen an der Bevölkerung von russischen Soldaten berichtet“.
Der Keller des Todes
Es war eine unsagbare dramatische Stimmung - stickige Luft - gemischt mit Angstschweiß.
Wimmern, Flehen und Gebete drangen aus dem Gewölbe. Maria berichtet weiter: „Auf einmal Gepolter und Lärm an der Kellertür. Über die Stiegen kamen zwei russische Soldaten, den Pfarrer in der Mitte, zu uns herunter.
Mit schussbereiten Maschinenpistolen machten sie uns klar, dass wir alle hinaufmüssen. Einer der Russen packte ein Mädchen beim Kragen und wollte es…, im Gedränge konnte diese aber untertauchen.
Ein Russe versuchte es nun bei mir und hielt mich vorne an der Brust fest! Ich war unfähig mich zu rühren, aber meine Mutter packte mich um den Rücken und schob mich rasch die Stiegen hinauf. Oben im Gang stand dann noch ein Soldat, der uns nicht zur Tür hinausließ.
Herr Pfarrer Kremar und ein junger Bursche namens Josef waren die Letzten im Keller und versuchten, den rabiaten Russen zu beruhigen. Auf einmal fielen Schüsse, der Posten, der auf uns aufpasste, wurde dadurch abgelenkt und meine Mutter schob mich rasch zur Tür hinaus und wir rannten um unser Leben.
Ich habe nur noch die Stimme des Herrn Pfarrers gehört, wie er sagte - „ich glaube, mich hat's erwischt…“
Schwerverletzter Pfarrer wurde durch Kopfschuss hingerichtet!
Maria schaffte es nach Hause und erfuhr später, was sich im Pfarrhaus weiter abspielte. „Ein Nachbar, der sich im Keller weiter versteckte, bekundete, dass ein Rotarmist mit dem Herrn Pfarrer wieder in den Keller kam und den Schwerverletzten durch einen Kopfschuss tötete!
Am Abend erfuhren wir dann, dass zwei Bauern nach dem toten Pfarrer suchten und den Gottesmann im Keller des Pfarrhofes fanden, sie trugen den Leichnam bei Dunkelheit in den Pfarrgarten, wo Hochwürden provisorisch beigesetzt wurde.
Gerade zu dieser Zeit läutete die einzig noch vorhandene Kirchenglocke und kein Mensch weiß bis heute, wer dieses tat.“, so die verkürzte Aufzeichnung aus Marias Tagebuch.
Als „NÖN-RÜCKBLICKER“ ist mir die Ehre zuteilgeworden, mich an dem Ort des ermordeten „Augustiner-Chorherrn, Pfarrer Alois Kremar, (1908 - 1945) zu begeben. „Pfarrer Matthias Vinh Hoang“, der seit mehr als 20 Jahren der gute Apostel von Tattendorf ist, begrüßt mich an der Schwelle des Pfarrhofes. Hochwürden führt mich durch die Räumlichkeiten, wo Alois Kremar bis Dienstag, den 3. April 45 wirkte, einiges erinnert noch an die Zeit des Seelsorgers - wie die Möbel im Historismus-Stil oder die Heiligenbilder an der Wand.
In einem schweren Kasten sind die Matriken-Bücher untergebracht. Den letzten schriftlichen Eintrag den Alois Kremar im Totenbuch vollzog, ist der 7. März 1945 gewesen - Frau Helene Scholz war mit 35 Jahren verstorben.
In der nächsten Zeile wird schon der Tod von Pfarrer Kremar bekundet – von Russen erschossen – steht da geschrieben!
Nun geht es hinunter in das finstere Kellergewölbe, wo die Rotarmisten „Hochwürden“ aufs brutalste das Leben aushauchten, weil er sich schützend vor Frauen und Kinder stellte.
Mir läuft es kalt über den Rücken, hier in der dunklen Unterwelt hat sich also das Drama abgespielt. In meinem Geist erscheinen mir angstvolle Blicke, verzerrte bleiche Gestalten, hasserfüllte Männer in Uniform, alles in einem grauen Nebel der Vergangenheit, mir schnürt es die Kehle zu - ich muss hinauf ins Licht. Pfarrer Mattias weckt mich aus meiner Trance und erzählt mir, „dass Alois Kremar Ende Sept. 1945 aus der ungeweihten Erde des Gemüsegartens exhumiert wurde und am Samstag, den 6. Oktober 1945 zur ewigen Ruhe am Tattendorfer-Friedhof gebettet wurde“.
Gedenken 80 Jahre später Mittwoch, 2. April 2025:
80 Jahre nach der Schreckenstat an dem Menschenfreund und Märtyrer Alois Kremar versammelte sich eine honorige Gesellschaft, an der auch eine Chorherren-Delegation aus Klosterneuburg teilnahm, an der neu gestalteten Chorherren-Grabstätte am Pfarrfriedhof zum Gebet.
Musikalisch sorgte der Musikverein Teesdorf unter der Leitung von Kapellmeister Thomas Strnad für feierliche Klänge. Prälat Anton Höslinger sprach an der Ruhestätte: „Im Andenken der Gemeinde lebt er jedoch bis heute fort. Das Grab des Alois Kremar soll Mahnmal und Zeugnis unseres Glaubens sein, dass weltliche Mächte nicht über uns siegen können.“ Danach übersiedelte man zum Gedenkgottesdienst in die Pfarrkirche Tattendorf an dem auch Bürgermeister Alfred Reinisch (UHL) teilnahm. DANKE
FÜR INFO: Tattendorf - Pfarrer Matthias Vinh Hoang /Chronisten Alfred Kreisa u. Georg Gramsl /Pfarrgemeinderat Markus Lechner. Klosterneuburg - PRESSE & KOMMUNIKATION, Christina Hiptmayr, Walter Hanzmann.
DER "FRIEDHOFSGUCKER" BEI KARLICH-SHOW
Drei Jahre lang recherchierte NÖN-Mitarbeiter Dietmar Holzinger für die Serie „Der Friedhofsgucker“, die auch in Buchform im Kral Verlag erschien.
Barbara Karlich wurde darauf aufmerksam und lud den NÖN-Mitarbeiter zum Thema – Geister – ein, der gerne dieser Aufforderung nachkam.
Geister seien ihm zwar keine erschienen, meinte Holzinger während der Sendung, aber sehr wohl verspürte er die Seelen der Verstorbenen, über die er berichtete, wie zum Beispiel die der „Silberprinzessin“ Johanna Prinzessin von und zu Lichtenstein, die die Tochter des k.u.k. Silberschmiedes Josef Carl Klinkosch war.
Die Sendung wurde am 24. Jänner ausgestrahlt und ist über die ORF-Mediathek unter Friedhofsgucker bei Barbara Karlich Showtv.ORF.at zu sehen.
BUCHPRÄSENTATION AM
11. NOVEMBER 2023
IM ZUGE DER BUCHAUSSTELLUNG
DER FA. KRAL
Pott-Cast mit Oliver Skopec -
herzlichen Dank
...es ist soweit
DER
FRIEDHOFSGUCKER
ist erschienen...
FREITAG 28. 10. 2023 WAR ES DANN SOWEIT
die ersten Bücher wurden in den Schaufenstern von Buchhandlungen präsentiert
...die Reihen 1 bis 5, linker Hand wurden besonders unter die Lupe genommen, dabei entstand dieses Video. Mit dabei war Märchenbuchautor Markus Wöhrer und natürlich auch Elfi Holzinger von www.tridok.at.